Letzte Woche gab es, entgegen meiner Ankündigung, von mir nichts zu lesen – der Veranstaltungskalender füllt sich langsam wieder, so dass die na dann… das Seiten-Ziel bereits erreicht hatte, bevor mein Artikel fertig war.
Nun also diese Woche ein paar Gedanken zum ÖPNV in Münster, insbesondere im Südosten, wo wir seit über 20 Jahren wohnen.
Mittlerweile hat es sich ja auch hier in der Provinz herumgesprochen, dass ein modernes, gut mit anderen Verkehrsmitteln vernetztes Bahnsystem eine hervorragende Möglichkeit ist, um die Leute zum Umstieg aus dem Privatwagen zu bewegen. Umweltfreundlich, leistungsfähig und auf eigener Trasse – ein Traum für die zeitgemäße Infrastrukturplanung.
Infolgedessen wurde im Dezember 2019 das Angebotszielprojekt zum Projekt „S-Bahn Münsterland“ veröffentlicht. Bezogen auf Münster enthält der Plan, neben der Umwidmung von Regionalbahnlinien zu S-Bahn-Strecken und erheblicher Taktverdichtung, auch die Einrichtungbzw. Wiederinbetriebnahme von zehn weitern Bahnhöfen im Stadtgebiet von Münster vor, die Hälfte davon (Halle Münsterland, Loddenheide, Gremmendorf, Angelmodde & Wolbeck) an der vor der Reaktivierung stehenden Strecke der Westfälischen Landeseisenbahn („WLE“) von Münster bis zunächst Sendenhorst.

Die in einer Bürgerinitiative organisierten Gegner der Reaktivierung bevorzugen eine Umwidmung der Trasse zur Fahrradschnellstrecke, parallel dazu einen leistungsfähigen (ElektroSchnell-)busverkehr und führen hauptsächlich folgende Argumente ins Feld:
• schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis (aktuell ca. 43 Mio Euro bei ca. 7.000-10.000 Fahrgästen täglich, je nach Studie)
• unrealistische „Schönrechnung“ des tatsächlichen Bedarfes, um die Reaktivierung „durchzudrücken“
• kein überzeugendes Lärmschutzkonzept (die Strecke führt mitten durch Wohngebiete)
• Wartezeiten an den Bahnübergängen
• Kein Zeitvorteil gegenüber der Fahrt mit dem Auto
• Geplante Taktausdünnung der parallel laufenden Stadtbuslinie 8 bzw. geänderte Streckenführung mit erheblich längerer Fahrzeit in die Innenstadt, um die Bahn künstlich attraktiver zu machen
• Durch Ausdünnung bzw. Abschaffung der existierenden Buslinien (8, R32, S30) zugunsten von nur 5 Zughaltepunkten wären große Teile des Südostens vom ÖPNV quasi abgeschnitten.
Das sind tatsächlich gerechtfertigte Einwände, die eine Berücksichtigung unbedingt verdienen. Allerdings sollten die Gegner der Reaktivierung auch ehrlicherweise sagen, dass der Hauptgrund ihres Engagements darin liegt, dass sie an der Bahnlinie wohnen, nie mit einer Wiederinbetriebnahme gerechnet haben und jetzt unsanft mit einer Änderung ihrer Lebensbedingungen konfrontiert werden. Ist ja durchaus verständlich.
Wenn ich mir die offiziellen Verlautbarungen zur Reaktivierung und die Stellungnahmen der Gegner so durchlese, fällt mir auf, dass, abgesehen davon, dass der Fahrradschnellweg gerade Realität wird, ein sehr wichtiger Punkt bei der Bewertung pro/contra anscheinend komplett ausgeblendet wurde, nämlich die Chance, Leute zum Umstieg vom Auto in die Bahn (vom Auto in den Bus funktioniert nämlich erfah-rungsgemäß NICHT) zu bewegen, damit sie stressfreier, kostengünstiger sowie umweltfreundlicher zum Ziel kommen und der drohende regionale Verkehrsinfarkt abgewendet werden kann. Das Fahrrad (oder E-Bike) ist eben nicht für jedermann die sinnvolle Alternative.
Die Ortsdurchfahrt Angelmodde ist jetzt schon überlastet, ebenso die Münsterstraße / Wolbecker Straße sowie der zweispurige Teil des Albersloher Wegs. Ein Ausbau des Albersloher Wegs würde den Stau nur weiter nach vorn verlegen. Im Einzugsbereich der WLE-Strecke werden in näherer Zukunft tausende Häuser und Wohnungen hinzukommen. Wenn man die Bauprojekte York-Kaserne, Angelmodde Süd, Wolbeck Nord und Wolbeck Petersheide zusammennimmt, werden der Albersloher Weg spätestens ab Kreuzung Gremmendorf, dazu die Münsterstraße / Wolbecker Straße den Individualverkehr von mehr als 12.000 neuen EinwohnerInnen zusätzlich aufnehmen müssen. Dabei sind die Neubaugebiete in Albersloh, Sendenhorst und Hiltrup Ost noch nicht einmal eingerechnet.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Innenstadt von Münster in Zukunft autoärmer werden muss, um ihre Attraktivität auf Dauer zu erhalten, bleibt, bei allen Vorbehalten, wahrscheinlich nur eine sinnvolle Lösung:
Reaktiviert die Bahnstrecke, baut so schnell wie möglich den Fahrradschnellweg fertig, lasst die Stadtbusse mindestens so oft weiter fahren und hofft, dass das reichen wird!