Am Ende meines letzten Beitrages habe ich ja quasi angekündigt, etwas zur lokalen Verkehrspolitik zu schreiben und zur Diskussion zu stellen. Zur Einordnung vorab: Ich bin sowohl beruflich mit Auto und Fahrrad, als auch privat mit Auto, Fahhrad und ÖPNV unterwegs. Alle diese Verkehrsmittel haben Stärken und Schwächen. Es kommt eben darauf an, und genau diese simple Wahrheit geht in den mit erbitterter Härte geführten Lagerkämpfen leider meist unter. Also:
1. Corona und die Folgen
Seit Beginn der Epidemie geht ja bekanntlich der Trend stark zum (dauerhaften) Homeoffice. Der Effekt auf die Verkehrsdichte ist in meiner Wahrnehmung gewaltig: Es sind spürbar viel weniger Autos unterwegs, dafür hat der Radverkehr gefühlt weiter zugenommen. Eine erfreuliche Entwicklung!
2. Innenstadt
Sorry, aber innerhalb des Promenadenrings hat Individualverkehr – außer auf Parkhauszufahrten, für Behinderte oder als Anwohnerverkehr – nichts zu suchen. Wenn wir die hohe Attraktivität der City erhalten wollen, müssen Lärm- sowie Abgasbelastung und Platzverbrauch durch herumstehende Autos reduziert werden.
Die nach dem zweiten Weltkrieg geschaffene Achse Münzstraße – Bergstraße – Vossgasse – Bült – Mauritzstraße ist als Abkürzung für den Durchgangsverkehr definitiv nicht geeignet und schneidet den Nordteil der Altstadt vom Rest ab. Gleichzeitig zwingt die Enge der Straße Fußgänger und Radfahrer vor allem im Bereich Bushaltestelle Bült da zusammen, wo am meisten Betrieb herrscht. Also: Schickt die Autos auf den Ring – da ist seit Corona genug Raum. Individualverkehr kann von Westen das Parkhaus am Theater erreichen, vom Osten das Parkhaus am Alten Steinweg. Dazwischen dann nur Anliegerverkehr, Busse und Fahrräder. Der Parkplatz am Bült (da könnte auch ein Parkhaus hin) ist ja bereits von der Hörsterstraße her angeschlossen.
Problematisch finde ich die Tiefgarage an den Arkarden: der Dauerstau hat die Königsstraße leider komplett entwertet. Ich würde es als reines Abokunden-Parkhaus erhalten und stattdessen die Parkflächen am Bült und am Stadtgraben erweitern.
3. Ludgerikreisel
DAS Paradebeispiel für verfehlte Verkehrspolitik! Straßenverkehr läuft nur dann gut, wenn entweder alle im gleichen Verkehrsraum aufs gleiche Tempo gedrosselt oder verscheidene Geschwindigkeiten entflochten werden. Momentan werden die Fahrradfahrer in den Autostraßenraum hinein gezwungen, ohne eigenen Platz zu bekommen. Auto- und Fahrradverkehr behindern sich gegenseitig, die latente Rücksichtslosigkeit BEIDER Parteien tut hier ihr Übriges. Die Rumpelflächen in den Einmündungen versperren dann noch den Notausgang, falls man als Fahrradfahrer beim Abbiegen geschnitten wird. Warum gibt es nicht eine innere Spur für den motorisierten und eine äußere für den Fahrradverkehr? Verkehrszählungen haben längst gezeigt, dass bei zwei Autospuren die innere kaum genutzt wird. Warum gibt es für Stoßzeiten keine Zuflussregelung? Eine Wechselschaltung für die Einfahrt von Moltke-, Hammer und Hafenstraße würde die Wartezeiten an den Zufahrten gewiss nur minimal erhöhen, dafür jedoch die Blockade des Kreisels im Berufsverkehr komplett vermeiden.
4. Entflechtung
ÖPNV in seiner jetzigen Erscheinungsform wird, vor allem seit Corona, ungern von Menschen genutzt, die gern individuell unterwegs sind. Das ist Fakt. Wenn man also die Autos aus der Stadt bekommen will, müssen andere Individualverkehrsmittel gefördert werden. In Frage kommen die gute alte Leeze, E-Bike und E-Roller.
Letztere haben sich ja bereits als verkehrspolitische Rohrkrepierer erwiesen, da die überall im Weg herumstehenden Dinger keinen einzigen Autofahrer zum Umsteigen bewegen, sondern nur Fußgänger, die Energiebilanz also verheerend ist.
Das (E-) Fahrrad kann nur konkurrenzfähig sein, wenn ein dafür reserviertes, durchgängiges Verkehrsnetz zur Verfügung steht. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Gerade an den großen Achsen, die zur Innenstadt hin von Geschäften gesäumt sind (Wolbecker Straße, Warendorfer Straße, Hammer Straße), werden weiterhin die Radwege hemmungs- und rücksichtslos zugeparkt. Warum? Weil es möglich ist. Alle vier Meter ein Pfosten und der Spuk ist vorbei. Gleichzeitig könnten vor den Geschäften, die täglich und interessanterweise fast immer zu denselben Zeiten beliefert werden, temporäre Lieferzonen eingerichtet werden, damit die LKW und Transporter nicht die halbe Straße zustellen müssen.Ähnliches gilt für nicht von der (Auto-) Fahrbahn abgetrennte Fahrradstreifen, beispielsweise in der Hafenstraße: Jeden Morgen ist der Streifen von Lieferfahrzeugen zugestellt, weil es halt geht.
5. Fahrradstraßen und -routen
Sind eine gute Idee, weil sie den Radverkehr tatsächlich wirkungsvoll beschleunigen. In Münster wird das System erfreulicherweise gerade massiv ausgebaut, hat allerdings drei gravierende Mängel: zum Einen ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die Straßen für den motoriserten Verkehr (außer Anlieger natürlich) nicht gesperrt sind. Zum Anderen ist der Bahnhof samt Fahrradparkhaus nur aus Norden und Süden gut erreichbar. Von Westen ist das Zusammenpferchen von Fußgängern und Radfahrern in der Windhorststraße ein Unding. Von Osten steht nur der zu enge Weg durch den vollgemüllten und nach Pisse stinkenden Hamburger Tunnel zur Verfügung, der anschlusslos im Trubel der Bahnhosvorfahrt endet, alternativ der Umweg über Bremer Platz, Wolbecker Straße und Bahnhofstraße mit sieben (!) Ampelwartephasen auf 800 Metern. Letztens bietet die Stadt den Anwohnern der Fahrradstraßen keine Alternativen für die weggefallenen Stellplätze an. Das mag in Außenbereichen (z. B. Lindberghweg) kein Problem sein, stellt jedoch die Bewohner z.B. der Schillerstraße vor große Herausforderungen. Warum baut die WBI dort kein Parkhaus mit Mietplätzen?
Nächste Woche geht es mit dem ÖPNV und dem Miteinander im öffentlichen Raum weiter!